Seit dem Tod zahlreicher Bootsgeflüchteter vor Lampedusa im Oktober 2013 dringen fast wöchentlich weitere Todesmeldungen von den europäischen Außengrenzen in die bundestdeutschen Medien. Dies hat zu einer zunehmenden öffentlichen Diskussion um Menschen- und Flüchtlingsrechte geführt. Zugleich verschärften sich im Zuge der europäischen Wirtschaftskrise soziale Konfliktlinien; bei mehreren Wahlen ist es in Europa zu einem Rechtsruck gekommen, der sich auch in der europäischen Migrationspolitik niederschlagen wird. Die Benennung des ehemaligen griechischen Verteidigungsministers als neuen EU Kommissar für Migration und Flucht aber auch die Weiterführung von der umstrittenen italienischen Operation „Mare Nostrum“durch die Grenzschutzagentur FRONTEX sind erste Anzeichen hierfür. Die Biometrisierung sowie eine gezielte Auslagerung der Grenzkontrollen wird fortgeführt und dabei zunehmend als humanitäre Maßnahme verkauft und legitimiert. In Deutschland weisen, darüber hinaus, Diskussionen über „sichere Herkunftsstaaten“ und die gleichzeitige Inszenierung von Notständen in vielen Unterkünften für Migrant_innen auf ökonomische und neoliberale Verteilungskämpfe hin. Das gemeinschaftliche Überwinden von außereuropäischen Grenzen, Refugee Strikes, Besetzungen und Verhinderung von Abschiebungen oder der erneute Anstieg an Kirchenasylen, zeigen jedoch, dass diesen Verschärfungen ein sichtbarer werdender Widerstand gegen das restriktive europäische Grenzregime gegenübersteht. Wie die Geschichte weitergeht ist offen…
Was vermag eine internationale und kritische Wissensproduktion? Im kritnet-Sammelband Grenzregime II, thematisieren die interdisziplinären Beiträge von Forscher_innen, Aktivist_innen und Künstler_innen aus Europa, Lateinamerika und den USA die fortgesetzte Technologisierung und den Rassismus der europäischen und nordamerikanischen Grenzregime.
Die aktuellen Entwicklungen sollen während der Auftaktveranstaltung zur 10. Tagung des Netzwerks, einer kritischen Reflexion unterzogen werden. Hierbei geht es vor allem um den Versuch folgende Frage zu beantworten: Was kann eine kritische Wissensproduktion dazu beitragen, in solidarischer Weise in die aktuellen hegemonialen Projekte zu intervenieren?